Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 



 

27.10.23 – Zum Krieg Hamas vs. Israel:

 
Zu einigen abwegigen Besichtigungen der kriegerischen Konfrontation
zwischen Hamas und Israel


1. Zur Sache mit dem Anti-Semitismus

Es gehört zum festen Bestandteil hiesiger nationaler Moral, dass sich wegen dem Holocaust im 3. Reich so gut wie jede Kritik an dem Judentum und dem israelischen Staat verbieten würde. Es zeugt nicht gerade von einer sachlichen Herangehensweise,  überall, wo Kritisches zum Judentum vermeldet wird, da sei bereits der Übergang zu Übergriffigkeit aufs Judentum unterwegs. Es wird mit dieser moralgetränkten Stellung ein regelrechtes Denkverbot bzgl. dessen erlassen, warum wer sich inwiefern judenkritisch äußert. Als allererstes könnte einem auffallen, warum man Menschen jüdischen Glaubens und erst recht einem jüdischen Staat ungeprüft vor dem Hintergrund des faschistischen Judenvernichtungsprogramms unter Hitler einen Freibrief ausstellen soll, egal was ein Jude denkt und tut und erst recht, was ein israelischer Staat zu seiner Räson erklärt. Das moralische Vorurteilswesen will da keine Unterscheidung kennen: jedes Wort gegen den Staat Israel wird sogleich für Judenfeindlichkeit genommen, umgekehrt stünde Judenkritisches sogleich für einen Angriff auf das unzweifelhaft daherkommende Existenzrecht Israels. Solche Sichtweise hat gar nicht erst vor, sich einmal genauer den Inhalt dessen vorzunehmen, was mit dem Totschläger Anti-Semitismus sogleich erschlagen wird. So macht sich die Beschimpfung von Juden einen dezidiert nationalistischen Vers auf Juden als vermeintliche Schädiger von was auch immer, welcher wächst und gedeiht auf der staatsbürgerlichen Sichtung von allem und jeden, wie man es auch von der allgemeinen Ausländerfeindlichkeit her kennt (die sich darin zusammenfasst, dass Ausländer ein Verstoß gegen eingebildete nationale Bevorrechtigung seien, die deshalb aus der Nation auszuschließen seien) - wo die politisch Verantwortlichen ausschließlich den Gesichtspunkt der strafrechtlichen Behandlung von Judenkritischem anstelle dessen Widerlegung raushängen lassen. - Dass welche aus der arabischen Liga sich den Tod Israels wünschen, speist sich gar nicht aus einer korrekten Kritik dessen, was dieser Staat als sein Programm verfolgt via territorialer Ausdehnung und Besatzung, sondern aus einem konkurrierenden arabischen oder palästinensischen Nationalismus: mit dem Hinweis, dass der Staat Israel mit der Vertreibung der Araber, einem Besatzungsregime über von diesen bewohnten Gebiete, der Einsperrung von Millionen unter elendesten Bedingungen im Gaza verbunden ist, daraus drechseln arabische Nationalisten ein von Israel vorenthaltenes Recht auf eine ganz eigene Obrigkeit über die Palästinenser; nur von daher erklärt sich die Unversöhnlichkeit im Verhältnis Parteigänger der Palästinenser und Israel; die unbedingte Parteinahme für Israel in Gestalt eines "Selbstverteidigungsrechts" ist kein senkrechter Schluss aus einer unbefangenen Bestandsaufnahme dessen, welche Interessen warum so militant und kriegerisch gegeneinander aufgestellt sind wie im Falle des Verhältnisses Palästinenser-Israel, sondern entspringt einer politisierten Vorabentscheidung für ein unbedingtes Bestandsrecht des Staates der Juden, der von seiner Entstehung und Fortbestand bis heute auf Expansionismus gegen die arabischen Massen bzw. deren Staaten beruht: untermauert durch den nicht weniger unsachlichen Zusammenschluss von Holocaust im 3. Reich damit, dass ausgerechnet einem Gewaltmonopol, unter dem sich alle Juden der Welt versammeln sollen, ganz grundsätzlich der Segen zu erteilen sei. Dies nimmt dann solch dumm-dreisten Formen an, angesichts der Brutalität des Vorgehens der Hamas am 7. Okt. 2023 dieses sogleich auf eine Stufe zu stellen mit der Judenausrottung Hitlers: mit solchen Vergleichen wird alles eingeebnet, was damals und heute in Sachen Judenanfeindung vorgebracht wurde bzw. wird: damals galten die Juden als innere Zerstörer deutscher Nation, was dann diese brutalen Konsequenzen hatte, einen zum Feind im Innern Erklärten wie einen auswärtigen Feind kriegsähnlich zu begegnen; eine Hamas heute behandelt Juden wie als Vertreter einer ungerechten israelischen Gewalt, die gegen die Palästinenser ausgeübt würde, der entsprechend blutig zu begegnen sei.

Die unbedingte Freisprechung Israels nimmt solche Absurdität an, ausrechnet einem UNO-Generalsekretär, der in einer Rede am 24.10.23 bei aller Befürwortung des Verteidigungsrechts Israels dazu aufruft, irgendwie auch der palästinensischen Sache Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, deren Ignorierung und Unterdrückung dem "Nahost-Konflikt" zugrundeliege, die Relativierung der Hamas-Schlächtereien vorzuhalten. Ein gezielte Instrumentalisierung der letzteren für das über jede Kritik erhabene Gewaltprogramm Israels darf man dies nicht nennen.


2. Zum Stichwort "Humanitäre Hilfe"

Da schafft ein Staat, der sich weder von seiner territorialen Ausdehnung noch von seiner Volksbasis her fertig wähnt, sondern dessen Expansion gegen die z.B. im Westjordanland ansässigen Bewohner tägliches Geschäft ist, als Antwort auf die kriegerische Geltendmachung eigener palästinensischer Staatlichkeit seitens einer Freischärlergruppe mehrere Tausend Todesopfer im Gazastreifen, erzwingt die Flucht von bis zu 1 Mio. im Norden des Gaza Lebende, deren Behausungen, Hab und Gut zusammengebombt werden, also vor dem Nichts stehend in die nicht weniger elenden Verhältnisse in den Gaza-Süden vertrieben werden, also ohne jede Überlebensgelegenheit*) - und von verschiedenen Seiten, allen voran von der UN ergeht der den Tatbestand des Zynismus erfüllende Aufruf, eben auf der Grundlage der kriegerisch hergestellten und andauernd produzierten verheerenden Lebensumstände "humanitäre Hilfe" anlaufen zu lassen bzw. überhaupt zuzulassen (wo es ganz in der machtpolitischen Reichweite Israels liegt, ob und was es an Überlebenshilfe zugesteht, den einzig dafür vorgesehenen Grenzübergang nach Ägypten in seine Bombenteppiche einbezieht, wenn nicht einseitig nach israelischen Konditionen vorgegangen wird). Also: von Kriegen als gängige Verlaufsform von Staatengegensätzen ausgehen und unter Negierung dessen, warum welche Interessen der beteiligten Gewalthaber aneinandergeraten, sich die Opferbetreuung zum zentralen Anliegen zu machen, der Gesichtspunkt der Verhinderung von Opfern darüber, dass man sich als allererstes Rechenschaft ablegt über Grund und Zweck der militanten Befehdung von Staaten und Möchtegern-Staaten gar nicht erst Thema ist.
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*)Was hier zumindest angedeutet wird, dass hier zwei Staatsprojekte sich unverträglich gegenüberstehen, die Ausfechtung der damit einhergehenden Ansprüche eine Frage dessen ist, welche Gewaltpotenzen gegeneinander in Anschlag gebracht werden, setzt sich ausdrücklich ab von der moralischen Einsortierung des Krieges zwischen Hamas und Israel, insbesondere von der  israelischen und westlichen Lesart, sämtliche militärische Brutalitäten einerseits in schlechte, ungerechte Gewalttätigkeit von Freischärlern und andererseits in gerechte Gewalt Israels auseinander zu sortieren, darüber Tod und Zerstörung, die gute Gewalt ihrem Gegner besorgt, in eine rechtfertigendes Licht zu tauchen. Besonders dreist wird es, wenn die durch israelische Raketen und Bomben Umgekommene dem militärisch auftretenden Gegner in Gestalt der Hamas untergeschoben werden, welcher perfide Nonsens nur darüber sich Glaubwürdigkeit verschafft, dass es moralisch als Schuldfrage daherkommt: wenn ihr Freischärler jeden Widerstand aufgebt, also vollständig kapituliert vor der Besatzungsmacht Israel, dann wäre die kriegerische Antwort Israels überflüssig, ansonsten die mit letzterer einhergehenden massenhaften Opfer auf "euer" Konto geht

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3. Zum Stichwort "Der Diplomatie eine Chance geben"

Da beherrschen ganz schlaue Polit-Experten das Geschäft, an staatsgewaltmäßig umgekrempelte Machtverhältnisse oder an die militärische Absicherung und Ausbau schon bestehender Dominanz einer Macht verkehrt und zynisch zugleich anzudocken. Da kommen dann solche gemeinen Dummheiten zustande, von dem ungebremsten israelischen Kriegs-/Säuberungsprogramm gegen die erklärten Feinde des Judenstaates, von der damit verbundenen Zerschlagung jeden organisierten Widerstandes fest auszugehen und daran Gedankenspiele derart anzuheften, wie eine Verwaltung des Gaza nach dem vollständig errungenen Sieg über die Hamas aussehen könnte. Also: Keinerlei Einspruch gegen die Kriegszwecke der Beteiligten, aber die Überlegenheit einer Seite wie Israel in Rechnung stellend über eine Nachkriegsordnung zu schwadronieren. Da ist dem Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt, ins Blaue hinein lauter Optionen der Regelung der Nachkriegsverhältnisse durchzuspielen - darum wissend, dass letztlich der Kriegsgewinner die Maßgaben dafür setzt, wie Gaza nach dessen Zusammenbomben auszusehen hat. In den Sprüchen der Offiziellen, der Gaza werde nach dem Feldzug der Israelis ein anderer sein, wird nur ganz unbestimmt angedeutet, wohin die Reise geht: eine Art Kolonialverwaltung des Gaza, dem ein enormer Aufwand dafür u.U. dagegen spricht - bis dahin, jenseits von Hamas und der 'gemäßigten' PLO irgendwie ein Israel-treues Besatzungsregime zu installieren. Wobei stets zu gegenwärtigen ist, dass der israelische Expansionismus gegen jedwede Ansprüche der Araber das sichere Fundament ist, dass immer wieder Gegenwehr aus den Reihen der letzteren genährt wird. - Was in dem großangelegten Feldzug angelegt ist, so wäre es Israel am Genehmsten, mit dem bewaffneten Widerstand gleich die Palästinenser ganz loszuwerden, bereits darüber, dass denen mit seinem Krieg die Hölle bereitet wird, wo dann eine einsetzende Massenflucht daran hängt, ob Nachbarstaaten sich damit belasten wollen; Ägypten hat ja schon klargestellt, dass es keine palästinensischen Flüchtlinge dulden will, jeden Affront gegenüber Israel zu vermeiden sucht, so im Raume stehen würde, dass von Ägypten aus der bewaffnete Kampf gegen Israel weitergeht.


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4. Zum Stichwort "Flächenbrand in Nahost verhindern"

Es ist schon bezeichnend: da wird der israelische Feldzug im Gefolge der Hamas-Attacken als unbedingt gerechtfertigter Verteidigungskrieg hinausposaunt - und schon wissen die Warner vor einem "Flächenbrand" davon, dass es etliche nicht-staatliche und staatliche Subjekte jenseits der lokalen "Konfliktparteien" gibt, nämlich Verbündete der Hamas bzw. Gegner Israels, die auch in einem weiteren Sinn mit dem Judenstaat um die Vormachtstellung im Nahen Osten konkurrieren (wie der Iran) oder schlicht um Einfluss in der Region gegen den Dominanzanspruch Israels ringen, die sich also durch den speziellen Machtbeweis der Israelis gegen deren Todfeinde in den besetzten Gebieten herausgefordert meinen, also nicht einfach Israel mit seinem ausgreifenden Ambitionen zu gewähren gedenken.

Die Warner vor einem "Flächenbrand" können durchaus auf längst eindeutige Machtverhältnisse im Nahen Osten bauen: Die einstigen Kriegsgegner Israels in Gestalt veritabler Staaten wie Ägypten und Jordanien haben sich längst angesichts der Übermacht Israels mit dem Judenstaat arrangiert: auch wenn die noch ideell an einer Zweistaatenlösung festhalten - die haben unter dem Eindruck der massiven Niederhaltung des Autonomiestrebens der Palästinenser so ziemlich jedes praktische Interesse am Schicksal der Araber im Gaza und Westjordanland aufgegeben. Saudi-Arabien ist längst dabei, sich mit Israel endgültig auszusöhnen. - Andererseits mag die Hamas mit ihrer Übergriffigkeit drauf spekulieren, dass nicht nur verbündete Rebellengruppen wie die aus Jemen oder Hisbollah praktische Solidarität aus den Gewehrläufen üben, die denn auch in begrenzter Weise militärisch aktiv werden (mit Raketen auf westliche Handelsschiffe oder vom Libanon ausgehenden Geschossen) - die Hamas versucht ebenso zu errreichen, dass sich arabische Staaten im Sinne des palästinensischen Anliegens neu aufstellen; die darüber in regelrechten Gegensatz zu Israel zu bringen, ist jedenfalls bisher ausgeblieben.

Die Warnung vor dem "Flächenbrand" ist gleichwohl die unmissverständliche Ansage der westlichen Imperialisten stillzuhalten, ihre Ordnungsmacht Israel gewähren zu lassen, sich also unterzuordnen unter den Vorherrschaftsanspruch des Vorpostens des Westens in Nahost. Da zeigt die verstärkte maritime Abschreckungsmacht der USA ihre Wirkung, sodass die Verbündeten der Hamas deren Unterstützung entsprechend einteilen, wenn auch die militärische Überlegenheit der USA keine automatische Gewähr für nichts ist.