Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 



 28.09.23 – Zu Berg-Karabach:

Wie an den politischen Rechnungen fremder Mächte mit dem Flecken
Berg-Karabach das „Schicksal“ eines ganzen Volkes hängt

 

An dem Landstrich Berg-Karabach sind Interessen von gleich vier fremden Nationen geknüpft: Aserbaidschan, Armenien, Russland und Türkei.

Es sollen nicht die historischen Details des seit mehreren Jahrzehnten andauernden „Konflikts“ um ein bis dato sich autonom gebenden, völkerrechtlich angeblich zu Aserbaidschan eigentlich zugehörigen Gebiets, andererseits mit seiner armenisch-stämmigen Volksmehrheit sich ethnisch, national zu Armenien zuordnenden Fleckens ausgebreitet werden.

Was von Belang wäre: es hat mehrere Kriege um den Landstrich zwischen Aserbaidschan und den armenisch-stämmigen Separatisten bzw. Armenien selbst gegeben. Aserbaidschan drängt auf Einverleibung von Berg-K. in sein Staatsgebiet. Armenien besteht jedenfalls auf autonomen Bestand einer Republik Berg-K.

Unter Vermittlung v.a. der Russischen Föderation wurden einige Waffenstillstände unter Weiterschwelen der kriegsträchtigen Ansprüche in Bezug auf Berg-K. vermittelt. Auf jeden Fall haben schwergewichtige Mächte den Deckel so auf dem „Pulverfass“ drauf gehabt, dass Okkupationsbestrebungen in Richtung Berg.-K. nicht zugelassen wurden.

Dass änderte sich flugs mit der Veränderung äußerer Rechnungen: so hat Aserbaidschan schon seit längerem Blockaden über das Gebiet auf den Weg gebracht, ohne dass die selbsternannten Schutzmächte dagegen eingeschritten sind. Als Aserbaidschan den Übergang zur kriegerischen Eroberung im September 2023 unter dem verharmlosenden Titel einer Quasi-Polizei-Aktion gegen Kämpfer von Berg-K. gemacht hat, wurde die Okkupation unter der euphemistischen Bezeichnung „Wiedereingliederung“ regelrecht ebenso durchgewunken – also von Aserbaidschan erreicht, was diesem Staat Jahrzehnte lang nicht vergönnt war. Die russischen Friedenstruppen, die bisher für die Aufrechterhaltung des zuvor geltenden Statusquo gesorgt haben, haben entsprechend der gewendeten Berechnungen Russlands die Kapitulation von Berg-K. begleitend mit abgewickelt.

An dem sich anschließenden Exodus von Zehntausenden Berg-Karabacher nach Armenien wird offenbar, welche Verheerungen es zeitigt, wenn das Leben und Überleben damit steht und fällt, wie es politisch einsortiert ist. Die „Sicherheit“ vor den nationalistischen Übergriffen des feindselig auftretenden Aserbaidschan ist dahin, wenn das Verhältnis zu Berg-K. anderen Interessenlagen bisheriger Aufsichtsmächte weicht. Allerdings: die Berg-Karabacher beherrschen ihrerseits Vorbehalte nationalistischer Art gegen die Aserbaidschaner, wenn sie meinen eine Herrschaft unter neuen Herren aus Feindesland nicht ertragen zu können und deshalb die Flucht antreten.

Die Russen-Hasser aus dem Westen lavieren zwischen Verratsvorwurf an die Russen und Häme: sie tun einerseits so, als müsste man eine konsequente Haltung als bisherige Stütze der Gegenspieler von Aserbaidschan einfordern, wo im Gegenteil die Armenier fallengelassen würden (auf Russland kein Verlass ist deren Motto) – zugleich meinen die westlichen Beobachter zu registrieren, dass Russland durch den Ukraine-Krieg gebunden sei und selbst mit seinem als „verbrecherisch“ moralisch verurteilten Krieg dafür sorge, dass bisher Moskau zugewandte Staaten sich abwendeten und in die Arme des Westen getrieben würden. Und was das vom Westen den Russen verschaffte Dilemma betrifft, nämlich weltpolitisch kräftig isoliert zu werden, sodass es sich mit ein paar  verbliebenen nicht eindeutig gegen es eingestellte Nationen wie der Türkei nicht verscherzen will, die als Schutzpatron Aserbaidschans gilt, wird Russland als eiskaltes Manöver zu Lasten der Armenier unter die Nase gerieben – als ob es ein Alleinstellungsmerkmal der Russen ist, alte Kalkulationen über den Haufen zu werfen, wenn die zu geändertem politischen Umfeld nicht mehr passen.