Tages-Politik - Analyse und Kritik

 
 








 

Zurückdrängung Russlands als diplomatisches Reglement


Baerbock in Kiew am 17.01.22

"Vor ihrer Abreise hatte die Grünen-Politikerin Baerbock am Montag erklärt: 'Wir sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über gegenseitige Vereinbarungen und Schritte, die allen in Europa mehr Sicherheit bringen, auch Russland.' Es könnten aber keine Abstriche bei Grundprinzipien wie der territorialen Unverletzlichkeit, der freien Bündniswahl und dem Verzicht auf Gewaltandrohung gemacht werden."
(https://www.tagesspiegel.de/politik/erneute-aggression-haette-einen-hohen-preis-baerbock-fordert-friedliche-loesung-im-ukraine-konflikt-und-warnt-russland/27980676.html)

Es wird wie als selbstverständlich hingestellt, dass Deutschland, EU, NATO in jeder Weltgegend ihre Zuständigkeit anmelden und deren Interessen Gültigkeit zu verschaffen sei. Dies bequatscht eine Baerbock wie als übergreifende Regelung von Sicherheitsfragen. Zugleich überführt diese Außen-Polit-Dame selbst dies als Lüge, wenn sie betont, dass u.a. „freie Bündniswahl“ und „Gewaltandrohungen“ tabu seien, die davon betroffene Seite (Russland) sich in den Hinsichten zurückzunehmen habe. Die Zuordnung der Ukraine zum westlichen Bündnis ist eine faktische Bedrohung Russlands unmittelbar an deren Grenze, insofern der Putin-Staat als unvereinbar mit den weltpolitischen Ansprüchen des Westens in Sachen Unterordnung unter die US-/EU-/NATO-Interessen erklärt wird. Sich dagegen zu wappnen, ist den Russen als westlicherseits nicht genehme „Gewaltandrohung“ verboten.


Baerbock in Moskau am 18.01.22

"Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland aufgefordert, auf Drohungen gegen das Nachbarland Ukraine zu verzichten und grundlegende Werte in Europa einzuhalten...
...Es sei schwer, sagte Baerbock, die Anwesenheit von 'mehr als 100.000' russischen Soldaten, die 'ohne nachvollziehbaren Grund mit Panzern und Geschützen' an der Grenze zur Ukraine stünden, nicht als Bedrohung zu werten."

(https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-01/annalena-baerbock-russland-moskau-ukraine-konflikt)

Baerbock verbratet den Unsinn, ein Staat stelle sich mit Panzern und Geschützen auf, wofür es keinerlei Grund und Anlass gäbe, also die Frechheit behauptet, aus einem Expansionsdrang pur heraus seien die Russen unterwegs. Wenn die militärische/militärpolitische Souveränität der Russen noch in den eigenen Grenzen vom Westen in Zweifel gezogen wird, welches westliche Programm gegen diese Weltmacht insgesamt wird da wohl ersichtlich: nämlich Russland als von der Weltbühne abzutretendes störendes Machtgebilde, wofür im Rahmen der NATO ringsum Russland militärisch mobilisiert wird.

"Man sei bereit zu einem gemeinsamen Dialog über gemeinsame Regeln, die ganz Europa mehr Sicherheit bringen würden, sagte Baerbock..." (ebd.)

Sie redet von gemeinsamen Werten und Regeln, die als übergeordete Prinzipien so gar nicht existent sind.*) Eher werden die einseitig geltend gemachten westlichen Ansprüche der Unterordnung der Gegenseite als Reglement eines fiktiven „gemeinsamen Hauses“ Europa herbeigelogen – wofür die Mobilisierung des NATO-Militärs rund um Russland die entscheidende Waffe ist, den Gegner zum Einlenken zu bringen.

"Baerbock würdigte ebenfalls die Beziehungen beider Länder: 'Russland und Deutschland spielen beide eine große Rolle in unserem großen, europäischen Haus.' Sie verwies etwa auf Chancen einer Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Atomabkommens mit dem Iran und beim Kampf gegen den Klimawandel..."(ebd.)

Denn so können Deutschland und die anderen Imperialisten Russland am besten gebrauchen: als gehorsamen Mitspieler im Management all der „Krisenherde“ im Sinne westlicher Ordnungsgrundsätze. Dafür gehören dessen Eigenbelange erst mal zurechtgestutzt: als ausführendes Organ westlicher Interessenlagen ist es einzig gefragt, ein kriegsträchtiges Programm, das der Westen damit ausruft, weshalb der Ruf nach Diplomatie und Friedfertigkeit stets auf dem Fuße folgt.

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*)Unverletzlichkeit der Grenzen ist so ein Grundsatz: der moderne Imperialismus hat es nicht nötig, fremde Länder sich einzuverleiben. Es ist die Angeberei, dass der Westen mit überlegener ökonomischer und militärischer Macht sich andere Staaten als folgsame Nationen im westlichen Interesse zuordnet - was nicht heißt, dass der Westen nicht genehme Staatsführungen wie im Falle Irak oder Libyen kriegerisch beseitigt und westliche Staathalter einsetzt oder dem Verfall preisgibt. Im Falle Russland wird es als scharfes Schwert in Anschlag gebracht: unter Ignorierung dessen, wie ein westlich militärisch eingekesselten Land sich deswegen dagegen wappnet, dass seine militärischen Fähigkeiten untergraben werden, reibt man dem Gegner eine vermeintlich global geltende Maxime hin, sich auf politische/militärische Enthaltsamkeit verpflichten zu lassen.